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Gedanken einer Doktorandin

Papst vergrault

Auch wenn das mittlerweile alte Nachrichten sind, wollte ich hier kurz den kürzlichen Proteststurm an der römischen Universität “La Sapienza” erwähnen, angelehnt an Dorigos Berichterstattung in seinem Blog.

Der Papst Ratzinger war zur Eröffnung des akademischen Jahrs eingeladen, sollte eine Rede an der Universität halten. Ein emeritierter Physik-Professor startete mit einem offenen Brief den Protest gegen diese Einladung, dem sich 67 weitere Professoren anschlossen. Sie schrieben (Übersetzung von mir):

„Am 15. März 1990 hat Joseph Ratzinger, noch als Kardinal, in einer Rede in der Stadt Parma einen Satz von Feyerabend aufgenommen: ‚Im Zeitalter Galileos war die Kirche der Vernunft treuer als Galileo selbst. Die Verhandlung gegen Galileo war vernünftig und gerecht.‘ Dies sind Worte, die uns als Wissenschaftler, die der Vernunft treu sind, und als Professoren, die ihr Leben der Vergrößerung und Verbreitung von Wissen gewidmet haben, beleidigen und kränken. Im Namen der Laizität der Wissenschaft und Kultur und im Sinne unseres Instituts, das offen für Professoren und Studenten aller Religionen und Ideologien ist, hoffen wir, dass diese unpassende Veranstaltung noch abgesagt werden kann.“

Diese Aussage erscheint auf den ersten Blick widersprüchich. Die Wissenschaftler rühmen sich damit, offen für alle Ideologien zu sein – wollen dann aber den Papst nicht hören, der ja letztendlich auch nur eine Ideologie vertritt.

Allerdings muss man den Kontext betrachten. Ratzinger war nicht zu einem wissenschaftlichen Diskurs eingeladen, sondern er sollte das akademische Jahr eröffnen, unwidersprochen.

Und diese Sache mit dem Zitat. Auf der kath.net-Webseite findet man die Rede Ratzingers mit etwas mehr Kontext (und einer wesentlich eleganteren Übersetzung des Zitats als mein Versuch oben 😉 ):

„Ausgerechnet Ernst Bloch ist mit seinem romantischen Marxismus einer der ersten gewesen, der dem Mythos (um Galilei) offen mit einer neuen Interpretation dessen entgegen getreten ist, was sich damals eigentlich ereignet hat. … Wo er aber noch einfach zwei Sphären der Erkenntnis mit einem verschiedenen methodologischen Profil unterschied, formulierte der agnostisch skeptische Paul Feyerabend sein abschließendes Urteil sehr viel drastischer, wo er schreibt: ‚Die Kirche zur Zeit Galileis hielt sich viel enger an die Vernunft als Galilei selber, und sie zog auch die ethischen und sozialen Folgen der Galileischen Lehren in Betracht.

Ihr Urteil gegen Galilei war rational und gerecht, und seine Revision lässt sich nur politisch-opportunistisch rechtfertigen.’ (Feyerabend 1976: Wider den Methodenzwang, S. 206) Was aber die konkreten Konsequenzen der galiläischen Wende betrifft, ist Carl Friedrich von Weizsäcker noch einen Schritt weiter gegangen, der von Galilei aus einen direkten Weg erkannte, der zur Atombombe führte.“

Also zitiert Ratzinger wieder nur jemanden. Natürlich kam als Antwort der Kirche auf den Protest der Professoren auch, dass der damalige Kardinal ja nur jemanden zitiert hätte und das ja gar nicht selbst so gesagt habe. Erinnerungen an den „Skandal“, der aus Ratzingers Rede über Muslime an der Uni Ingolstadt-Eichstädt folgte, werden geweckt.

Diese Art, Reden zu halten, ist eine gute Methode, nie eine eigenen Meinung darstellen zu müssen. Man findet einfach jemanden, der schon einmal dasselbe gesagt hat, wie man jetzt sagen will, zitiert ihn, und ist schön aus dem Schneider. Wenn jemand kritisiert, kann man sagen, man habe ja nur zitiert.

Ratzinger als Kardinal und jetzt sowieso als Papst ist kein Lehrer oder Professor, der seinen Schülern die Lehre eines anderen darstellen will. Er hat den Anspruch, die Moral zu vertreten, den Leuten zu sagen, wo es lang gehen soll. Wenn so jemand eine Rede hält, darf muss diese meiner Meinung nach anders bewertet werden, als wenn ein Professor an einer Universität eine Vorlesung hält. Wenn er mehere Leute zitiert, die die Vorgehensweise der Kirche gegen Galileo rechtfertigen, ohne diese Zitate selbst zu bewerten oder ihnen andere entgegenzustellen, macht sich Ratzinger diese Sichtweise zu eigen.

Ich persönlich finde das zweite Zitat sogar noch skandalöser als das erste. Galileos Entdeckung hat direkt zur Atombombe geführt! Das impliziert, dass die gute Kirche ihre armen armen Schäfchen nur vor der grundbösen Wissenschaft retten wollte, die ins absolute Verderben führt. Kein Wort davon, dass die moderne Wissenschaft, die Galileo mitbegründet hat, Millionen, Milliarden Menschen durch Medizin, Energie und Nahrung das Leben gerettet hat!

Zudem sehen die Wissenschaftler in Italien immer mehr die Trennung von Wissenschaft (Staat) und Kirche gefährdet. Und wohl leider auch zu Recht, wenn man die Reaktionen auf diesen Brief ansieht: laut Dorigos Blog muss mindestens einer der Unterzeichner des Vatikan-kritischen Briefs jetzt politische Konsequenzen fürchten, er war für die Leitung einer großen italinischen Forschungsgesellschaft nominiert und muss damit rechnen, dass er den Job nur wegen seiner Unterschrift nicht erhält. Eine Schande, so etwas.

Immerhin ist Ratzinger dann nicht zur Eröffnungsrede gekommen, nachdem sich auch immer mehr Studenten dem Protest angeschlossen haben.

18. Januar 2008 - Posted by | Politik, Religion | , , ,

1 Kommentar »

  1. Hallo und guten Tag,

    es ist wieder das alte Thema „Religion vs. Wissenschaft“!

    Ich kann die Wissenschaftler verstehen, die sich durch Ratzingers Rede beleidigt und angegriffen fühlen, allerdings sollte man nicht so weit gehen und deswegen zum Protest aufrufen. Das gesprochene Wort des Papstes ist kein Gesetzestext, sondern ein Apell an die Vernunft bzw Moral des Menschen.
    Ich glaube nicht, dass es die Intention des Papstes war, Professoren und andere Wissenschaftler zu beleidigen!
    Man sollte etwas Feingefühl besitzen und sicht selbst nicht zu wichtig fühlen, dann reagiert man wesentlich unempfindlicher auf solche Aussagen!

    Danke 🙂

    Kommentar von Billigflug | 27. Januar 2009 | Antworten


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